In einem Essay für das niederländische Wochenmagazin De Groene Amsterdammer schreibe ich über die Unbekümmertheit Europas angesichts der Kriegsdrohung in Ukraine.
Zum ersten Mal in langer Zeit scheint ein militärischer Konflikt im Zentrum Europas nicht mehr nur als reelle, sondern sogar als unvermeidliche Entwicklung gesehen.
Ähnlich wie vor dem Ersten Weltkrieg ist jedem klar, dass ein Kriegsausbruch jederzeit möglich ist. Wie vor mehr als 100 Jahren stehen Eigenbelange dem gemeinsamen Ziel – der Bewahrung des Friedens – wieder im Weg. Deutschland will eine Pipeline nicht aufgeben, Ungarn zwei Kernreaktoren weiterbauen, Frankreich den Einfluss der USA und Großbritanniens durch mehr europäische Zusammenarbeit eindämmen.
Der Australische Historiker Christopher Clark beschrieb in seinem eindrucksvollen Buch „Die Schlafwandler“ wie die Welt 1914 in den Ersten Weltkrieg stolperte. Hinter den Entscheidungen, die zu einem Kriegsausbruch geführt haben, lagen Clark zufolge schlechte Kommunikation, Annahmen und Vermutungen, die zu einer unvorhersehbaren Kette von Entwicklungen führen konnte. Dadurch entstand eine Situation des Misstrauens, in der jeder annahm, ein Krieg könnte jederzeit ausbrechen. Bis es tatsächlich geschah.
Die Parallele mit der Vergangenheit ist nicht die Gefahr eines dritten Weltkriegs – sondern die Auffassung, dass Krieg unvermeidlich geworden ist.